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13.10.2016, 16:13 Uhr
Pressemitteilung: Sozialausschuss fasst Beschluss zum Bundesteilhabegesetz
Verbesserungsvorschläge zum Bundesteilhabegesetz
Abgeordnete Kristy Augustin, Sprecherin für Familien-, Frauen- und Jugendpolitik der CDU-Fraktion:
„Es ist wichtig, dass wir gemeinsam und überfraktionell Verbesserungsvorschläge zum Bundesteilhabegesetz auch aus Brandenburger Sicht beschlossen haben. Das Individuum, mit seiner jeweiligen Behinderung, muss im Fokus des Gesetzes stehen, daher fordern wir den andauernden Dialog und Überprüfung der Maßnahmen auch nach In-Kraft-Tretens des Gesetzes.“


Potsdam - Der Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat in seiner 19. Sitzung am 12. Oktober 2016 einen gemeinsamen Antrag der SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE für einen Beschlussvorschlag zu dem vom Landtag Brandenburg überwiesenen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Alle inklusive in Brandenburg“ - Das Bundesteilhabegesetz verbessern (Drucksache 6/4539), einstimmig angenommen. Mit dem Beschlussvorschlag wird dem Landtag die Annahme des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in geänderter, auch inhaltlich weitergehender Form empfohlen. Die Beschluss-empfehlung des Ausschusses wird der Landtag in einer seiner Sitzungen am 9., 10. oder 11. November 2016 beraten
Zu dem Beschluss erklärten die nachfolgenden Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen und Mitglieder im Ausschuss Abgeordnete Elisabeth Alter, Sprecherin für Behinderten- und Familienpolitik der SPD-Fraktion:
„Das Poolen von Leistungen darf nur unter Zustimmung der Leistungsberechtigten erfolgen.“
Abgeordnete Kristy Augustin, Sprecherin für Familien-, Frauen- und Jugendpolitik der CDU-Fraktion:
„Es ist wichtig, dass wir gemeinsam und überfraktionell Verbesserungsvorschläge zum Bundesteilhabegesetz auch aus Brandenburger Sicht beschlossen haben. Das Individuum, mit seiner jeweiligen Behinderung, muss im Fokus des Gesetzes stehen, daher fordern wir den andauernden Dialog und Überprüfung der Maßnahmen auch nach In-Kraft-Tretensdes Gesetzes.“
Abgeordnete Diana Bader, Sprecherin für Gleichstell
ungs- und Behindertenpolitik der Fraktion DIE LINKE:
„Es war gut und wichtig, dass wir uns auch auf Landesebene mit dem Bundesteilhabegesetz intensiv befasst haben. Die Kritiken sind sowohl in der Anhörung im Ausschuss als auch vor dem Brandenburger Landtag in Form einer Demonstration deutlich zu vernehmen gewesen. Diese haben wir ernstgenommen und in der gemeinsamen Stellungnahme des Ausschusses aufgegriffen. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass der Ausschuss geschlossen hinter den Betroffenen steht und sich klar zu ihren vorgetragenen Forderungen positioniert. Das ist ein klares Signal an die Landesregierung, aber auch an Bundestag und Bundesrat, sich für die wichtigen und notwendigen Verbesserungen einzusetzen, um aus dem vorliegenden Entwurf ein gutes Bundesteilhabegesetz zu machen.“
Abgeordnete Ursula Nonnemacher, Sprecherin für Gesundheits- und Sozialpolitik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
„Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert Ziel muss weiterhin eine inklusive Gesellschaft und die gleichberechtigte Teilhabe und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung sein. Wenn das neue Bundesteilhabegesetz jedoch neue Barrieren und Einschränkungen mit sich bringt, ist es mit diesem Ziel unvereinbar. Ich bin daher froh, dass das brandenburgische Parlament und die Landesregierung sich anhand dieses Beschlusses auf Bundesebene dafür einsetzen, die zu erwartenden Barrieren einzureißen.“
Abgeordnete Sylvia Lehmann, Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie:
„Als Ausschussvorsitzende freue ich mich, dass wir fraktionsübergreifend eine Beschlussempfehlung auf den Weg gebracht haben. Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden war es dem Ausschuss wichtig, weitere Verbesserungen in den vorliegenden Gesetzesentwurf einzubringen, um die Situation von Menschen mit Behinderungen zu stärken und ihnen somit den Übergang vom Fürsorgesystem in die inklusive Gesellschaft zu ermöglichen.“
Der Beschluss im Wortlaut:
„Der Landtag stellt fest:
Das Land Brandenburg ist auf dem Weg zur Inklusion einer der Vorreiter Deutschlands. In den letzten Jahren wurden unter anderem ein
Behindertenpolitisches Maßnahmenpaket entwickelt und umgesetzt, das Landespflegegeld erhöht und die Bauordnung angepasst. Zudem wurde das Landesgleichstellungsgesetz novelliert und an die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gebunden. Aktuell wird das Behindertenpolitische Maßnahmenpaket fortgeschrieben. All das macht deutlich, dass es ein wichtiges Anliegen und eine notwendige Verpflichtung und Aufgabe für das Land Brandenburg ist, dass hier eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben Realisierung findet und vorallem auch Selbstverständlichkeit werden soll. Brandenburg sieht sich umso mehr in der Pflicht, sich für ein modernes Teilhabegesetz einzusetzen, welches nachhaltig die Situation von Menschen mit Behinderung verbessert, eine inklusive Gesellschaft fördert und vom Fürsorgesystem wegführt. Das wird es nicht zum Nulltarif geben können. Entsprechende erste positive Schritte in die richtige Richtung, wie zum Beispiel die umfassende Bedarfsfeststellung, die Schaffung des Budgets für Arbeit, die Stärkung der Schwerbehindertenvertretung in Betrieben und Dienststellen, die unabhängige Teilhabeberatung, die Regelung des Schwerbehindertenrechts und die Verbesserung der Einkommens- und Vermögensanrechnung, haben bereits unter Mitwirkung von Betroffenen und Verbänden in den aktuellen Regierungsentwurf des Bundesteilhabegesetzes (BTHG)Einzug gefunden. Trotz erster Nachbesserungen des Bundesministeriums im ersten Halbjahr 2016, steht der Entwurf des BTHG nach wie vor in der Kritik von unter anderem Betroffenenverbänden und Selbsthilfeorganisationen. Dies hat auch die Anhörung zum BTHG im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Brandenburger Landtages im September 2016 deutlich gemacht. Der Landtag bittet daher die Landesregierung, sich im Bundesrat bezüglich der Ausgestaltung des BTHG für folgende Punkte einzusetzen:
• Ein grundsätzliches Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten ohne Zumutbarkeitsprüfung undBegründungsverpflichtung zu gewährleisten.
• Die Zuordnung zur Pflege oder Eingliederungshilfe muss nach dem individuellen Bedarf und nicht pauschal erfolgen. Daher ist die Schnittstellenproblematik zwischen den Leistungen der Pflegeversicherung, der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe besser zu gestalten. Dafür muss § 91 Abs. 3 SGB IX neu formuliert werden.
• Sich für die Beibehaltung und Stärkung des Vorrangs der ambulanten Leistungserbringung gegenüber einer stationären oder quasi-stationären Versorgung einzusetzen.
• Beim Poolen von Leistungen bedarf es der Zustimmung der Leistungsberechtigten.
• Eine Definition des Personenkreises, welcher alle Menschen mit Behinderungen mit Unterstützungsbedarf einschließt und niemanden von Leistungen der Eingliederungshilfe ausschließt.
• Der Ausschluss von Leistungskürzungen und -einschränkungen. Der Vorrang der Pflegeleistungen ist zwingend abzuschaffen, um den Ausschluss von Eingliederungshilfeleistungen zu verhindern. Leistungen der Pflege und der Eingliederungshilfe sind gleichberechtigt nebeneinander zu gewähren.
• Ein abgestimmtes Verfahrensrecht, das eine zügige Bedarfsermittlung ermöglicht und personenzentrierte bedarfsdeckende Leistungen wie aus einer Hand garantiert. Hierbei ist ein bundesweit einheitliches Anspruchs-, Bedarfs- und Leistungsfeststellungsverfahren auf der Grundlage der ICF zu entwickeln.
• Bessere Teilhabe- und Wahlmöglichkeiten im Arbeitsleben. Die Unterscheidung in „werkstattfähige Menschen“ und „nicht werkstattfähige Menschen“ konterkariert die Paradigmen der UN-BRK und ist aufzuheben.
• Möglichst lückenlos, gemäß der individuellen Bedarfe, von der Frühförderung bis zur Berufsausbildung, die Teilhabe an Bildung zu sichern.
• Eine weitere Verbesserung der Einkommens- und Vermögensanrechnung bei der Leistungsgewährung für die Menschen mit Behinderung bzw. deren PartnerInnen mit dem langfristigen Ziel der vollständigen Einkommens- und Vermögensfreiheit zu erreichen.
• Es ist sicherzustellen, dass Leistungsanbieter neben den Werkstätten, die gleichen hohen Qualitätsstandards zu erfüllen haben wie die Werkstätten. Dies gilt auch für die Anwendung der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO).
• Die Landesregierung wird gebeten, ähnlich dem Dialogprozess auf Bundesebene zur Entwicklung des Bundesteilhabegesetzes, nach dessen Inkrafttreten einen kontinuierlichen Austausch mit allen Beteiligten zur notwendigen Umsetzung des Gesetzes im Land Brandenburg anzustreben.“
Hintergrund:
Der Landtag Brandenburg hatte den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN „Alle inklusive in Brandenburg“ - Das Seite Bundesteilhabegesetz verbessern (Drucksache 6/4539)in seiner 32. Sitzung am 15. Juli 2016 an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie überwiesen. Die Fraktionen SPD, DIE LINKE, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragten am 13 Juli 2016 im Eilverfahren die Durchführung einer öffentlichen Anhörung, welche in der 18. Sitzung am 14. September 2016 stattfand.